Egon Krenz war der letzte Staats- und Parteichef der DDR. Über die dramatischen Wochen im Herbst 1989 und sein Leben als Politiker spricht er mit dem Publizisten Jakob Augstein. Jahrelang galt er als Kronprinz von Staats- und Parteichef Erich Honecker, saß an dessen Seite im Politbüro und war ein intimer Kenner der politischen Verhältnisse. Im Gespräch liefert er eine Innensicht der Macht im Arbeiter- und Bauernstaat. Egon Krenz blickt zurück auf ein politisches Leben im Dienste der SED und der DDR und reflektiert auch selbstkritisch die Jahre und Jahrzehnte seiner politischen Verantwortung. Mehr als 25 Jahre nach der Deutschen Einheit leidet er noch immer am Untergang der DDR und die, aus seiner Sicht, vertane Chance, die Idee des Sozialismus auf deutschem Boden zu verwirklichen. Zur Zukunft des SED-Staates wenige Wochen vor dem Mauerfall meint Krenz: "Ich bin 1989 noch überzeugt gewesen, dass man das Ruder hätte umdrehen können. Ich war als Nachfolger Erich Honeckers nicht angetreten, die DDR aufzugeben, sondern sie zu verteidigen." Unvergessen ist auch der "Verrat", wie er es nennt, der Sowjetunion an der DDR, die ihren engsten Verbündeten aus eigenen Interessen preisgegeben habe. "Der ehemalige sowjetische Außenminister Schewardnadse sagte mir nach der Wende: 'Wir wollten die Sowjetunion erhalten. Deshalb mussten wir allen Ballast abwerfen'. Er meinte auch die DDR. Das hat mich schockiert." Was bleibt aus seiner Sicht? "Die wichtigste Spur, die die DDR hinterlassen hat, ist die Erkenntnis, dass es 40 Jahre lang ohne Kapitalisten ging. Ein Leben ohne Kapitalisten ist möglich."