Ein Blick aus dem Jenseits ins Hier. Vor der Kulisse einer Ayurvedaklinik der Superlative, in der der Tod fast abgeschafft ist, wird der erste Akt des Parsifal von Richard Wagner in einer therapiebezogenen Version einstudiert. Wir folgen dem Patienten Christoph Schlingensief (C. S.) und seiner Verlobten durch Phasen verschiedener Behandlungen in der Klinik. Hinter der Fassade lauert jedoch der Tod: trotz bester Therapie wird überall gestoben. Wo Tod ist, ist aber auch Oper und die Klinik, in der eine Oper geprobt wurde, wird nun selbst zum Gegenstand der Oper, die in eben dieser Klinik aufgeführt wird. C.S., dem eine aussichtslose Situation bescheinigt wird, erinnert sich an seine Vision eines Festspielhauses in Afrika und übernimmt selbst die Leitung der klinischen Oper. In seiner Inszenierung verlassen die Insassen die Klinik und wollen nach Afrika: die Projektion eines rauschhaften Sichauslebens erscheint als rettende Alternative. Jenseits der Grenze Probe Parsifal: “Klingsors Zauberschloss”, ein Ort der Entgrenzung und Sünde. Doch trotz aller diktatorischen Bemühungen des Regieteams will kein echter Exzess entstehen. Am Ende findet aber C.S. hinter einem roten Vorhang die ganze Klinikgesellschaft in einem wohl pervers zu nennenden Krippenspiel wieder. Wie Parsifal vor Kundrys Kuss schreckt er zurück und gesteht seine Schuld ein als Mensch und Regisseur: “Ich bin’s, der all dies Elend schuf!” Der Toleranzgürtel ist überschritten. Jetzt heißt es Buße tun. Ein Blick ins Jenseits. Bei der Eröffnung des afrikanischen Festpielhauses vermischen sich die säkulare Auftaktgala und der Himmel der Verstorbenen: Vertraute aber längst verstorbene Gestalten möchten C.S. in die andere Welt mitnehmen. Aber dieser will die andere Welt lieber diesseitig, d. h. auf der Bühne erleben. Und so endet der dritte Akt nicht mit der Erlösung, sondern mit Isoldes “Liebestod”-Arie, mit der das Leben und das Theater, in dem man sogar das Sterben überleben kann, gefeiert werden.